Wegeseitenstreifen und Artenvielfalt

Mahd mit Abfuhr statt Mulchen ist das beste Blühstreifenprogramm“: Der NABU Ostfriesland rät, Wegeseitenstreifen stärker für Biodiversität zu nutzen.

Für eine stärkere Wertschätzung der Wegeseitenstreifen wirbt jetzt die Ökologische NABU-Station Ostfriesland (ÖNSOF): Sie könnten wieder zu wertvollen Blühstreifen für  Insekten werden. Dafür muss eine Abkehr vom Mulchen und die Wiedereinführung einer Mahd mit Abfuhr des Mahdgutes erfolgen. Die für die Pflege der Grünflächen an Wegen und Straßen zuständigen Unterhaltungsträger sollten sich dafür auch von der auch aus Wild- und Vogelschutzgründen abzulehnenden Mahd während der Brut- und Setzzeit abwenden.

Die frühe Mahd von Wegeseitenstreifen während der bis zum 15.7. andauernden Brut- und Setzzeit durch die Unterhaltungsträger steht jedes Jahr aufs Neue in der Kritik. Auch die Art der Pflege durch Mulchen sowie der Beitrag zur Verbreitung von Neophyten über die Pflegemaschinen wird kritisiert. Nach Auffassung von Michael Steven, Leiter der Ökologischen NABU-Station Ostfriesland muss sich grundsätzlich etwas am Umgang mit den Wegeseitenstreifen ändern.

 

Kein Randphänomen

Wegeseitenstreifen nehmen eine beträchtliche Fläche in der Landschaft ein. Sie durchziehen die Landschaft wie ein Netz und könnten dadurch für viele Organismen für die Ausbreitung von Bedeutung sein. Durch Isolation von Beständen verursachte Inzuchteffekte diverser Arten ließen sich mindern und Aussterbewahrscheinlichkeiten reduzieren. Damit können Wegeseitenstreifen ebenso wie Gewässerläufe und Hecken wesentliche Bestandteile eines Biotopverbundsystems sein.

Insekten wie das Tagpfauenauge finden in sterilen Kiesgärten keine Nahrung. (Foto: Susen Schiedewitz / NABU)

Besonderes Potential haben sie auch als Lebensraum für sonst in der Landschaft selten gewordene Pflanzen und Insekten. Denn sie werden weder mit Dünger noch mit Pflanzenschutzmitteln behandelt und weisen dadurch günstige Bedingungen für die Ansiedlung zahlreicher Blütenpflanzen auf. Für die Landwirtschaft haben sie keine Bedeutung mehr. Und trotzdem stellen die meisten Wegeseitenstreifen in zunehmendem Maße artenarme Grasstreifen dar.

Das müsse aber nicht so sein, ist Michael Steven, Leiter der Ökologischen NABU-Station überzeugt: „Wenn die Unterhaltungsträger das Mulchen einstellen und das Mahdgut abfahren, würde die stetige Anreicherung der Wegeseitenstreifen mit durch Stäube und Aerosole eingetragenen Nährstoffen gestoppt.“ Dies sei eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sich Blütenpflanzen wieder ansiedeln und ausbreiten könnten.

 

Weniger Mulchen

Die beim Mulchen anfallende und auf den Wegeseitenstreifen liegen bleibende Biomasse dunkle die Licht zur Keimung benötigenden Kräuter zusätzlich aus. Die häufig in Bodennähe abgelegten Eier und Larven von Insekten würden zudem abgetötet. „Die klein geschredderte Biomasse lässt kaum Sauerstoff an den Boden und fördert ein feuchtes Mikroklima, das zu einem Befall des Insektennachwuchses mit Pilzen und Krankheiten führt.“ erläutert der Diplom-Biologe. Daher sei der Verzicht auf das Mulchen ein viel wirksameres und nachhaltigeres Insektenförderprogramm als jede künstlich eingesäte Blühfläche. Sollte das Samenpotential im Boden verarmt sein, könne man am besten mit Mähgutübertragungen von noch blütenreichen Standorten arbeiten. „Wir appellieren insbesondere an die Gemeinden und ihre Bauhöfe, die Wegeseitenstreifen künftig mehr als Chance für mehr Blütenreichtum und Biodiversität zu begreifen denn als Last, der man nur möglichst schnell und effizient Herr werden muss.“ so Michael Steven.

 

Brutzeit beachten

Mehr Sensibilität wünscht er sich auch bei der Respektierung der Brut- und Setzzeit durch die Bauhöfe. „Das lässt sich in der Regel auch problemlos mit der Wegesicherungspflicht vereinbaren.“ ist Steven überzeugt. Denn der Nebeneffekt einer Mahd mit Abfuhr des Mahdgutes sei bereits nach wenigen Jahren auch ein weniger rascher und hoher Aufwuchs der Vegetation.

Den Gemeinden, die bei der Entwicklung ihrer Wegeseitenstreifen zu einem Insektenparadies Unterstützung wünschen, bietet die Ökologische NABU-Station Ostfriesland Beratung und Zusammenarbeit an (Tel. 04942-2043804, michael.steven@NABU-Station-Ostfriesland.de). „Wir wollen gemeinsam mit den Unterhaltungsträgern Wege finden, wie man den abzufahrenden Aufwuchs der Wegeseitenstreifen künftig sinnvoll verwenden kann.“

Die Ökologische NABU-Station Ostfriesland unterstützt die Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise Aurich und Wittmund sowie der Stadt Emden bei Aufgaben der Vor-Ort-Gebietsbetreuung von Schutzgebieten.

Aber auch alle anderen können sich für mehr Biodiversität engagieren: Statt eines Kiesgartens kann man Vögeln und Insekten auf dem eigenen Grundstück angenehme Lebensräume schaffen. Der NABU Ostfriesland hat gute Tipps für eine naturnahe Gartenplanung. Auch im Altkreis Norden sammelt ein Bündnis für das Volksbegehren „Artenvielfalt.Jetzt!“ Unterschriften.

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