70 Jahre „Gruß an Bord“

Die NDR Info Traditionssendung „Gruß an Bord“ wird 70 Jahre alt und ist eng mit der bewegten und bewegenden Geschichte von Norddeich Radio verbunden.

Die Küstenfunkstelle Norddeich Radio hat eine wechselvolle Geschichte, die eng mit dem Leben auf See verbunden ist. Nach der Errichtung im Jahr 1907 wurde von hier aus rund 90 Jahre lang der Funkverkehr mit Schiffen in aller Welt durchgeführt. Sie diente in der Zeit des Nationalsozialismus auch als Rundfunksender und verbreitete NS-Propaganda für das englischsprachige Ausland.

Das Programm änderte sich nach dem Zweiten Weltkrieg und brachte eine beliebte Weihnachtstradition im Norddeutschen Rundfunk hervor: Seit 70 Jahren bringt die NDR Info Radiosendung „Gruß an Bord“ Familien und Freunde raus auf die Weltmeere und über tausende Kilometer hinweg auf eine ganz besondere Art zusammen. Heiligabend 1953 wurde „Gruß an Bord“ zum ersten Mal ausgestrahlt, damals über die Seefunkstation Norddeich Radio.

Ende 1998 stellt die letzte deutsche Küstenfunkstelle ihren Betrieb ein. Um die Hörwache auf dem internationalen UKW-Sprechfunk-Not- und Anrufkanal 16 sicherzustellen, richtet die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) die Seenotküstenfunkstelle Bremen Rescue Radio (BRR) als Ersatz für Norddeich Radio ein.

 

NDR mietet Frequenzen für die Sendung

Auch in Zeiten von Handys und Internet hat „Gruß an Bord“ nichts an Bedeutung verloren und Nachahmer gefunden. So werden auch im Rahmen des Juister Podcasts „SandBankLiebe“ rund um Neujahr Grüße nach dem Vorbild der traditionellen Radiosendung ausgestrahlt.

„Gruß an Bord“ bildet nach wie vor eine wichtige Brücke zwischen den Seeleuten auf den Meeren und ihren Angehörigen in Deutschland. Wie damals senden auch heute viele Familien und Freunde ihren Lieben auf See, die Heiligabend nicht zu Hause sein können, persönliche Weihnachtsbotschaften. Damit alle Besatzungen an Bord – auf den Meeren oder in den Häfen – die Traditionssendung empfangen können, mietet der NDR eigens Kurzwellen-Frequenzen an, so auch wieder in diesem Jahr.

Die Sendung „Gruß an Bord“ wird in diesem Jahr im Kulturspeicher in Leer und in der Seemannsmission „Duckdalben“ im Hamburger Hafen mit vielen Gästen aufgezeichnet. Zu hören ist sie auch in diesem Jahr Heiligabend von 19.00 bis 22.00 Uhr auf NDR Info, auf NDR Info Spezial, über die NDR Radio App und über Kurzwelle.

Weitere Informationen zum Empfang finden Sie hier: „Gruß an Bord“: So empfangen Sie die Sendung 2023 | NDR.de – Nachrichten – NDR Info.

 

Funker erinnern sich

Norddeich Radio wurde 1998 durch zunehmende Satellitenkommunikation und nachlassenden Vermittlungsbedarf überflüssig und geschlossen. Um aber die Hörwache auch weiterhin sicherzustellen, richtet die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) die Seenotküstenfunkstelle Bremen Rescue Radio ein – sie ist integraler Bestandteil der deutschen Rettungsleitstelle See.

Norddeich Radio funkt nicht mehr – aber „Bremen Rescue“ hört: Für die Überwachung des international einheitlichen UKW-Notrufkanals 16 verfügt die Rettungsleitstelle See der DGzRS über ein eigenes flächendeckendes UKW-Relaisfunknetz mit 19 Sende- und Empfangsanlagen. (Foto: Foto: Die Seenotretter – DGzRS/Sven Junge)

Die Funker Wilhelm Elies (68) und Onno Heyen (67) haben sowohl bei Norddeich Radio als auch bei Bremen Rescue Radio gearbeitet. Als Funkoffiziere fingen sie 1982 bei Norddeich Radio an und erlebten die Blütezeit der Küstenfunkstelle mit der größten Zahl an Seefunkgesprächen, -telegrammen und -fernschreiben pro Tag.

Sie ist damals für Seeleute, Reedereien und Familien monatelang der einzige Weg für traurige und freudige, geschäftliche und private Nachrichten. Vergleichbares wird heute ausnahmslos per Smartphone oder über Satelliten um die Welt geschickt. 1982 ist Norddeich Radio jedoch noch unentbehrlich für die Verbindung der Schiffsbesatzungen auf See mit den Menschen an Land.

Wilhelm Elies und Onno Heyen sind wie alle anderen Funker mit ihren Ohren ganz nah dran an den Geschichten von Bord. Da sind beispielsweise die philippinischen Seeleute, deren Gespräche in die entlegenen Dörfer des Inselstaates in Südostasien nicht immer zustande kommen, weil die Verbindung zum einzigen Telefon im Ort einfach abbricht. Manchmal ist Norddeich Radio wegen seiner hervorragenden Funktechnik jedoch die letzte Hoffnung für ausländische Seeleute, wenn über die nationalen Küstenfunkstellen kein Anschluss hinzubekommen ist. „Sie waren uns immer sehr dankbar“, sagt Onno Heyen. Er erinnert sich auch an die irakischen und iranischen Matrosen, die – trotz des ersten Golfkrieges – auf See eines gemeinsam haben: die Sehnsucht nach ihren Familien, nach ihrer Heimat.

Diesem Wunsch nach Nähe trägt die traditionsreiche Hörfunksendung „Gruß an Bord“ des NDR ebenfalls Rechnung, die die Küstenfunkstelle von Ostfriesland in alle Welt ausstrahlt. Obwohl dieses Programm mit seinen Botschaften für Seeleute fern von zu Hause nur einen winzigen Teil der Arbeit ausmacht, hat vor allem dies Norddeich Radio weithin bekannt gemacht.

Wilhelm Elies und Onno Heyen mögen ihre Arbeit. Dennoch verstummen die Stimmen der beiden Funker irgendwann auf den Weltmeeren. Zuerst die von Wilhelm Elies: Aus privaten Gründen zieht er 1992 von der ostfriesischen Küste ins Binnenland nach Oldenburg. Er wechselt vom Funkplatz in die IT-Abteilung der Deutschen Bundespost Telekom, zu der auch Norddeich Radio gehört. Drei Jahre später, kurz bevor die Telekom die Dienste der Küstenfunkstelle nach und nach abschaltet, hört Onno Heyen dort ebenfalls auf. Er übernimmt in dem mittlerweile privatisierten Unternehmen eine Stelle in der Verwaltung. 2007 verlassen beide die Telekom und kehren zu ihren Wurzeln als Funker zurück: Bei den Seenotrettern übernehmen sie die Hörwache in der Seenotküstenfunkstelle Bremen Rescue Radio der Rettungsleitstelle See.

 

Menschenleben retten

Zu dieser Zeit ist Norddeich Radio längst Geschichte: Ende 1998 hat die letzte deutsche Küstenfunkstelle ihren Betrieb eingestellt – sowohl für Wilhelm Elies als auch für Onno Heyen ein „sehr trauriger Moment“, da sie sich bis heute mit Norddeich Radio eng verbunden fühlen. Gleichzeitig sehen sie in der digitalen Technik einen deutlichen Fortschritt für die Rettung Schiffbrüchiger aus Seenot, weil jetzt mit den meisten Notrufen automatisch Position und Name des Havaristen übertragen werden. Damit küstennahe, weiterhin über UKW ausgestrahlte Alarme von Fischkuttern, Küstenmotorschiffen und Segelyachten auch künftig aufgefangen werden, übernimmt die DGzRS mit der neu eingerichteten Seenotküstenfunkstelle Bremen Rescue Radio die ständige Hörwache auf dem international UKW-Sprechfunk-Not- und Anrufkanal 16 sowie weitere Aufgaben von Norddeich Radio. „Bei den Seenotrettern habe ich in einer Woche mehr Notfälle entgegengenommen als in meinen 13 Jahren bei Norddeich Radio“, bilanziert Onno Heyen rückblickend. Die beiden Funker bleiben bis zu ihrer Rente 2020 dabei, nicht zuletzt weil sie es mögen, Menschen zu helfen.

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