Gehölzarbeiten in Vogelschutzgebiet

Der NABU und die Gemeinden Hinte und Krummhörn entfernen einige Gehölze im Vogelschutzgebiet zugunsten von Uferschnepfe und Co.

Hinte / Krummhörn. – Bis Ende Februar sollen in den Gemeinden Hinte und Krummhörn einige Gehölze im EU-Vogelschutzgebiet „Krummhörn“ entfernt werden. Projektträger ist hier der Naturschutzbund (NABU) Landesverband Niedersachsen, die Finanzierung erfolgt über Fördermittel des Landes Niedersachsen (EELA) und des Landkreises Aurich. Ziel der punktuellen Entfernung von Gehölzen ist die Rettung vom Aussterben bedrohter Wiesenvögel wie der Uferschnepfe. Die Maßnahmen sind zur Qualitätssicherung der für die Vogelwelt äußerst wichtigen Offenlandschaften dringend erforderlich. Darüber hinaus werden in Kooperation mit der Jägerschaft und den örtlichen Landwirten weitere Maßnahmen zur Förderung der Wiesenvögel durchgeführt. Hierzu gehört die Ausweitung der Beweidung, die Pflege von Gräben, Einrichtung von Grüppenstauen oder die Regulierung von Fressfeinden wie Fuchs und Marder.

 

Vogelschutzgebiet Krummhörn

Bereits Anfang der 1990er Jahre beschlossen die EU-Mitgliedstaaten, für das Überleben von Arten und Lebensräumen, für die Europa eine herausragende Verantwortung weltweit trägt, durch die Ausweisung von Schutzgebieten und Vorgaben für deren Qualitätssicherung die Voraussetzungen zu schaffen. In dem EU-Vogelschutzgebiet „Krummhörn“ sind dies insbesondere die Wiesenvögel wie Uferschnepfe, Kiebitz oder Rotschenkel. Für diese „wertbestimmenden Arten“ wurden diese NATURA-2000 Gebiete ganz wesentlich mit ausgewiesen. Sie mussten sowohl bundesweit als auch regional in den einzelnen Gebieten sehr starke Bestandsrückgänge hinnehmen. Insbesondere reicht auch der Bruterfolg nicht aus, um ein Überleben der Arten sicher zu stellen.

Fliegende Uferschnepfe (Foto: Matthias Bergmann)

Besonders im Fokus steht die Uferschnepfe, um deren Überleben sich die Naturschützer als vom Aussterben bedrohte Art (= Rote Liste 1; danach kommt nur noch RL 0 = „Ausgestorben“) besondere Sorgen machen. Sie ist stark auf die weiten Offenlandschaften angewiesen, denn sie hält in der Regel intuitiv mehr als 250 m Abstand zu Gehölzbeständen. Selbst durch mit hohem Schilf bewachsene Gräben in der weiten Sicht eingeschränkte Flächen werden gemieden, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Somit gingen der Uferschnepfe durch das Aufkommen der Gehölze bereits große potentielle Brutgebiete verloren. Das Meidungsverhalten zu allen höheren Geländestrukturen hat seinen guten Grund: Brütet sie in deren Nähe, gefährdet sie sich und ihr Gelege sowie später ihre Küken. Fressfeinde wie Rabenkrähen, Mäusebussarde, Sperber und Habicht nutzen die erhöhte Aussicht von Gebüschen und Bäumen, um Eier, Küken und im Falle der Greifvögel sogar die Altvögel, auszuspähen und um sie dann zu erbeuten. Zudem geben Gehölz- und Schilfstreifen Raubsäugern wie Fuchs, Steinmarder, Marderhund und Hermelin Deckung, so dass diese stark in ihren Populationen angewachsenen Fressfeinde direkt in die Wiesenbrüterlebensräume geführt werden. Zu hohe Gelege- und Kükenverluste durch Fressfeinde gelten nach gesicherten wissenschaftlichen Untersuchungen selbst in sonst günstigen Lebensräumen als entscheidender Faktor dafür, dass nicht ausreichend Jungvögel flügge werden können.

 

Umsichtige Gehölzarbeiten

Aus diesem Grunde sind die jetzt auch in den Gemeinden Hinte und Krummhörn geplanten Maßnahmen zur Beseitigung des aufgekommenen Gehölzjungwuchses sowie einiger besonders negativ wirkender Gehölzbestände von größter Bedeutung, um die Wiesenbrüterlebensräume in einen günstigeren Zustand zu überführen. Sie wurden in einem differenzierten Abwägungsprozess und unter Berücksichtigung weiterer Belange ausgearbeitet. So wurden die Gehölzbestände vorher intensiv durch einen Gutachter auf Fledermausvorkommen untersucht. Wichtige Gehölze für Fledermäuse und eine Graureiherkolonie werden daher zum Beispiel erhalten. Die Gemeinde Hinte hatte vor diesem Hintergrund auch der Entfernung von Gehölzen auf gemeindeeigenen Flächen und entlang von Gemeindestraßen zugestimmt. Hier geht es vor allem auch um die Beseitigung von Junggehölzen sich stark ausbreitender Baumarten wie Erlen, Birken und Eschen. Durch eine insgesamt geringere Räumungsintensität der Gräben können sich diese Gehölze derzeit stark ausbreiten.

Die Wirkung der Gehölze für den Klimaschutz ist hier zu vernachlässigen. Der Schutz der in der Moormarsch unter der Kleischicht liegenden organischen Böden vor Austrocknung und zu starker Entwässerung ist dafür viel gravierender. Hier wird der Schutz der Wiesenvögel durch die künftig ebenfalls erforderliche Anhebung von Bodenwasserständen sowie die Förderung der Weidehaltung in Schutzflächen zu einem vielfach höheren Beitrag für den Klimaschutz führen. Letztlich gehören die Wiesenvögel wie die weiten Offenlandschaften zur ostfriesischen Identität und müssen nicht zuletzt als auch für den Tourismus wertvolle Kulturlandschaft erhalten bleiben.

 

Wiesenvogelschutz im Landkreis Aurich

Die Ökologische NABU-Station Ostfriesland (ÖNSOF) unterstützt die Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise Aurich und Wittmund sowie der Stadt Emden bei Aufgaben der Vor-Ort-Gebietsbetreuung von Schutzgebieten. Das Vogelschutzgebiet V04 „Krummhörn“ ist Bestandteil der Gebietskulisse für die Schutzgebietsbetreuung. Für diese Arbeit wird der NABU Niedersachsen als Träger der Ökologischen Station durch das Land Niedersachsen gefördert. Grundlage der Förderung ist seit dem Jahr 2018 eine Kooperationsvereinbarung mit den Landkreisen bzw. der Stadt Emden sowie eine einvernehmliche Abstimmung der Arbeitspläne. Der Sitz der Ökologischen Station befindet sich in Wiegboldsbur.

Die nun erfolgenden Maßnahmen zur Qualitätssicherung der wertvollen Offenlandschaft ist Bestandteil des Projektes „Maßnahmen des Wiesenvogelschutzes in den zum Landkreis Aurich zählenden Teiles des Vogelschutzgebietes V04 Krummhörn und V09 Ostfriesische Meere“. Das Projekt mit den darin entwickelten Maßnahmen ging aus der Arbeit der Schutzgebietsbetreuung hervor und die vorgesehenen Maßnahmen sind mit den Bewirtschaftern und Eigentümern der Flächen, den Gemeinden und der Unteren Naturschutzbehörde abgestimmt. Das Projekt wird in Trägerschaft des NABU Niedersachsen durchgeführt und im Rahmen der niedersächsischen Förderrichtlinie „Erhalt und Entwicklung von Lebensräumen und Arten (EELA)“ durch die EU, das Land Niedersachsen sowie dem Landkreis Aurich gefördert. Mit der Projektleitung wurde das von Matthias Bergmann betriebene Büro für Ökologie und Landschaftsplanung beauftragt.

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