Vogelkrankheiten auf dem Vormarsch?

Geflügelpest und Blaumeisensterben: Der NABU Ostfriesland fordert Aufklärung über Krankheiten und Schutzmaßnahmen für Wildvögel.

Im vergangenen Frühjahr war in weiten Teilen Deutschlands eine vom Bakterium Suttonella ornithocola ausgelöste Epidemie aufgetreten, der Tausende Blaumeisen zum Opfer fielen. Bis Jahresende wurden über ein daraufhin eingerichtetes Meldeformular über 24.000 Verdachtsmeldungen dieser Epidemie an den NABU gemeldet. Mehr als 400 tote Vögel wurden untersucht, ziemlich genau die Hälfte der beprobten Vögel ist an einer Infektion mit dem in Deutschland neuartigen Bakterium gestorben. Bei der „Stunde der Gartenvögel“ im vergangenen Mai 2020 wurden entsprechend weniger Blaumeisen beobachtet. Hotspots in Niedersachsen waren die Landkreise Ammerland, Oldenburg und Osterholz.

Erste Verdachtsmeldungen, die zu den typischen Symptomen der Krankheit passen, sind nun auch dieses Frühjahr schon beim NABU eingegangen. Eine auffällige Häufung oder klare regionale Schwerpunkte sind jedoch noch nicht erkennbar. Verdachtsmeldungen kranker oder verstorbener Blaumeisen oder auch anderer Kleinvögel können unter www.NABU.de/meisensterben eingegeben werden. Nur so kann herausgefunden werden, ob die Epidemie des vergangenen Jahres ein einmaliges Ereignis war oder der Beginn eines jährlich wiederkehrenden Problems.

 

Nicht nur Blaumeisen betroffen

Neben Blaumeisen erkranken in einzelnen Fällen auch Kohlmeisen oder andere kleine Singvögel. „Die Tiere fallen dadurch auf, dass sie nicht mehr auf ihre Umwelt reagieren, apathisch und aufgeplustert auf dem Boden sitzen und nicht vor Menschen fliehen. Oft wirken die Vögel als hätten sie Atemprobleme. Augen, Schnabel und Teile des Federkleids sind häufig verklebt“, erklärt Jan Schürings von der NABU-Regionalgeschäftsstelle Ostfriesland.

 

Hygiene bei der Vogelfütterung

Grundsätzlich gilt, an Futter- und Wasserstellen auf Sauberkeit zu achten, „damit sich die Tiere beim Körnerholen oder Wassertrinken nicht gegenseitig mit Krankheiten anstecken können“, macht Schürings auf die notwendige Hygiene aufmerksam. „In der Brutzeit holen sich die Vögel immer gern einen Leckerbissen zur Stärkung an der Futtersäule ab. Das ist auch kein Problem, solange das Futter sauber ist und die Vögel nicht mit dem gesamten Futter in Kontakt kommen können“, rät Jan Schürings. Naturnahe Gärten und Grünflächen unterstützen zudem ganzjährig die Vögel bei der Nahrungssuche. Wer im Garten und auf dem Balkon die Blüten- und Insektenvielfalt durch heimische Pflanzen fördert, trägt dazu bei, dass Gartenvögel zur Brutzeit ausreichend Insekten zur Jungenaufzucht sammeln können.

 

Vogelgrippe geht um

An der Geflügelpest verendete Weißwangengans (Foto: NABU/Elke Meier)

Seit einigen Wochen erreichen den NABU Ostfriesland außerdem zahlreiche Anrufe wegen verendeter Wildvögel von der Küste und aus dem Rheiderland. Insbesondere verendete Gänse, aber auch Enten, Möwen, Krähen, Bussarde und Graureiher werden gefunden. „Mittlerweile hat man das Gefühl, dass kommt alle Jahre wieder.“, berichtet Jan Schürings von der NABU Regionalgeschäftsstelle Ostfriesland. „Als Ursache für die mittlerweile häufigen Vogelgrippe-Ereignisse werden von einigen Seiten oft die Wild- und Zugvögel genannt. Wissenschaftliche Erkenntnisse deuten jedoch eher auf die Verbreitung des Virus über die Massentierhaltung hin. Wir fordern daher, die Verbreitungswege über die Geflügelindustrie genauer unter die Lupe zu nehmen und Maßnahmen zum Schutz der Wildvögel zu ergreifen.“, so Schürings weiter.

Dass das Vogelgrippe-Virus sich unter Wildvögel verbreiten kann, ist unbestritten. Jedoch ist eine großräumige Verbreitung durch Zugvögel unwahrscheinlich, da die Tiere relativ schnell verenden und den Vogelzug gar nicht schaffen. Eine Übertragung des Virus an die Wildvogelpopulationen durch die Geflügelindustrie ist daher eher wahrscheinlich. Gerade bei geschlossenen Massentierhaltungen ist ein Vireneintrag über den weltweiten Geflügelhandel und seine Stoffströme wahrscheinlicher als eine Infizierung durch Kontakt mit erkrankten Wildvögeln. Das Wissenschaftsforum Aviäre Influenza (WAI) stellte schon 2017 zum damaligen Vogelgrippeausbruch fest: „Der Ablauf des Geflügelpest-Seuchengeschehens 2016/2017 lässt sich in großen Teilen nicht mit der These vereinbaren, dass Wildvögel eine zentrale Rolle spielen. Vielmehr zeigen sich Zusammenhänge mit betrieblichen Abläufen in der Geflügelwirtschaft. Deren Rolle ist allerdings bisher unzureichend aufgeklärt – soweit das anhand der öffentlich zugänglichen Informationen beurteilt werden kann.“ Nur wenn die genauen Verbreitungswege bekannt sind, kann man etwas gegen zukünftige Ausbruchsgeschehen in Wildvogelpopulationen und in Geflügelbetrieben unternehmen.

 

Massentierhaltung bedroht Wildvögel

Zum Schutz der Wildvogelpopulationen vor der Vogelgrippe wären bauliche Maßnahmen an den Ställen wie z.B. virendichte Abluftfilter anzuraten. Zudem sollten Transporte geschlossen stattfinden und Geflügelgülle und -mist sollte vor der Ausbringung thermisch behandelt werden. Diese Maßnahmen sollten insbesondere in EU-Vogelschutzgebieten Standard werden.

„Das nun verschiedentlich die Gefahr für die Wiesenvögel erwähnt wird, deutet darauf hin das hier verschiedene Wildvogelarten gegeneinander ausgespielt werden sollen. Auf keinen Fall darf die Gefahr für die Wiesenvögel als Vorwand für z.B. eine Vergrämung der Gänse genutzt werden. Der Rückgang der Wiesenvögel liegt vielmehr im Verlust von artenreichem Feuchtgrünland.“, erläutert Elke Dirks, Vorsitzende des NABU Ostfriesland, ihre zusätzlichen Sorgen. Zum Schutz anderer Vogelarten sollten Kadaver toter Vögel möglichst zügig eingesammelt und entsorgt werden.

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