Chinesisches im Teemuseum

Provenienzforschung während der Pandemie: Wie kamen Objekte aus China ins Ostfriesische Teemuseum in Norden?

Das Ostfriesische Teemuseum in Norden ist zurzeit zwar immer noch für Besucherinnen und Besucher geschlossen, doch hinter den Kulissen tut sich so einiges. Zu Beginn des Jahres hat das Projekt zur Erforschung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten begonnen, an dem sich das Ostfriesische Teemuseum gemeinsam mit drei weiteren Einrichtungen unter der Federführung der Ostfriesischen Landschaft beteiligt. Provenienzforschung – ein sensibles Thema in der Museumspolitik, gleichfalls aber auch so enorm wichtig für die Aufarbeitung der eigenen Sammlungsgeschichte. Es geht hierbei um die Herkunft und die wechselnden Besitzverhältnisse von beweglichen Kulturgütern – darunter fallen Objekte, die in Sammlungen von Museen aufzufinden sind. In Deutschland ist die Provenienzforschung im Zusammenhang mit im Nationalsozialismus enteignetem jüdischem Kulturgut bekannt. Des Weiteren werden auch Kulturgüter aus kolonialen Kontexten, zumeist aus Afrika oder Asien, erforscht, die als Beute- oder Raubkunst oder auch als einfache Souvenirs durch Schenkungen oder Ankäufe ihren Weg in die Museen gefunden haben.

Der Historiker und Sinologe Dr. Hajo Frölich (rechts im Bild) und der Historiker Frank Drauschke vom Historischen Forschungsinstitut Berlin „facts & files“ waren im Teemuseum zu Gast. (Foto: Ostfriesisches Teemuseum)

Bei diesem Pilotprojekt in vier Einrichtungen in Ostfriesland geht es um Objekte, die aus der ehemaligen deutschen Kolonie in China stammen und deren Herkunft jetzt genauer unter die Lupe genommen wird. Der Historiker und Sinologe Dr. Hajo Frölich (rechts im Bild) und der Historiker Frank Drauschke vom Historischen Forschungsinstitut Berlin „facts & files“ waren im Museum zu Gast und begutachteten circa 100 Objekte aus dem Bestand.

 

Raubgut in der Sammlung?

Im Ostfriesischen Teemuseum kamen Asiatika erst mit der Entscheidung für die Erweiterung der Dauerausstellung um den inhaltlichen Schwerpunkt Teekultur Mitte der 1980er Jahre zumeist über den Handel in die Sammlung. Mittlerweile stellt die Teekultur jedoch die größte Gruppe der Sammlung des Museums dar. Die Sichtung des Sammlungsbestandes förderte rund 100 Objekte zutage, die aus kolonialen Kontexten stammen könnten. Bei diesen Objekten handelt es sich bis auf wenige Ausnahmen um Keramik, vorwiegend aus Porzellan. Dies sind vor allem Kannen, Tassen, Teller und Schalen, die zum überwiegenden Teil eindeutig der chinesischen Teekultur zuzuordnen sind. Bei knapp der Hälfte der identifizierten Objekte sind Schenker ebenso bekannt wie Verkäufer aus dem Handel aus Norddeutschland und den Niederlanden.

Die Wissenschaftler haben in Berlin zuerst mit der Auswertung der ihnen von den beteiligten Einrichtungen zur Verfügung gestellten Fotos, Informationen und Archivmaterialien begonnen. In der vergangenen Woche ging es jedoch an die Recherche vor Ort, bei der insgesamt circa 500 Objekte aus allen beteiligten Einrichtungen in Augenschein genommen und Hintergrundinformationen ausgewertet wurden.

Museumsleiterin Mirjana Ćulibrk informiert darüber, dass „in Ostfriesland mit seiner Lage am Meer Sammlungsgeschichte und Geografie zusammenspielen. Es wird jetzt der Frage nachgegangen woher die Objekte stammen und wie diese ins Museum gekommen sind. Hier leisten die Forscher Detektivarbeit, um die Herkunft der Objekte Schritt für Schritt zurück in die Vergangenheit zu verfolgen, um im bestmöglichen Fall bis an ihren Ursprung zu gelangen“.

 

Alte chinesisch-ostfriesische Beziehungen

Da Dr. Hajo Frölich und Frank Drauschke auch über gute Kontakte zu chinesischen Kollegen verfügen, können sie auch auf deren Expertise bauen. So werden zum Beispiel Marken gedeutet, die Auskunft über den Herstellungszeitpunkt und den Herstellungsort liefern. Dr. Hajo Frölich berichtet, „dass Objekte aus China seit langem in unserem Alltag präsent sind, was auf eine lange Beziehung zu China hindeutet“. Im Ostfriesischen Teemuseum weisen viele aus China stammende Objekte zur Teekultur darauf hin. Nach den bisherigen Erkenntnissen handelt es sich bei den Objekten aus allen vier Einrichtungen weniger um Kriegsbeute als um Souvenirs. Mit den Ergebnissen aus der Forschung wird die Sammlungsdokumentation der Museen unterstützt. Die weiteren Ergebnisse werden mit Spannung erwartet und in einer Abschlussveranstaltung Ende des Jahres präsentiert.

Außer dem Ostfriesischen Teemuseum Norden sind das Deutsche Sielhafenmuseum Carolinensiel, die Naturforschende Gesellschaft zu Emden und das Fehn- und Schifffahrtsmuseum Westrhauderfehn an dem auf ein Jahr angelegten Projekt beteiligt. Gefördert wird das Projekt vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste und unterstützt durch das Netzwerk Provenienzforschung in Niedersachsen. Die Projektleitung hat Dr. Nina Hennig von der  Museumsfachstelle / Volkskunde bei der Ostfriesischen Landschaft.

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