Wie geht es der Blaumeise?

Der NABU Ostfriesland meldet erneut eine Rekordbeteiligung bei der „Stunde der Gartenvögel“. Sorgen macht die von einer Seuche bedrohte Blaumeise.

Blaumeise (Foto: Erwin Bette / NABU)

„In diesem Jahr steht einer der beliebtesten Gartenvögel, die Blaumeise, bei unserer Vogelzählung im Blickpunkt“, so Jan Schürings vom NABU Ostfriesland. „Leider erliegen in diesem Frühjahr viele der kleinen Meisen mit dem blau-gelben Federkleid dem für Meisen tödlichen Erreger Suttonella ornithocola.“

Das Bakterium wurde erstmals identifiziert, nachdem im Winter 1995 bis Frühjahr 1996 zahlreiche Singvögel, vor allem männliche Blaumeisen, aufgrund einer bis dahin unbekannten Infektion gestorben waren. Suttonella ornithocola verursachte offensichtlich ausschließlich bei Meisenarten im Frühjahr Lungenentzündungen. Die Vogel-Epidemie flaut seit Ende April deutlich ab. „Bundesweit betrachtet sind 22 Prozent weniger Blaumeisen pro Garten gemeldet worden“, berichtet Jan Schürings. „Interessanterweise sind die Blaumeisenzahlen in Ostfriesland konstant, obwohl auch hier Fälle der Vogelinfektion auftraten.“

Wie sich die Seuche langfristig auf den Bestand auswirkt, kann bisher nur spekuliert werden. „Im besten Fall können die überlebenden Meisen in diesem Jahr besonders erfolgreich brüten, da sie weniger Konkurrenz haben als normalerweise“, so Schürings. „Im schlechtesten Fall könnte mit der Krankheit ein andauernder Abwärtstrend des Blaumeisenbestands beginnen. So beobachten wir es beim Grünfink, dessen Zahl seit 2013 aufgrund der Krankheit Trichomoniasis abnimmt.“

 

Vorläufige Ergebnisse

Besonders spannend wird es für die Ornithologen, die Ergebnisse der Stunde der Gartenvögel mit dem sich aus der Meldeaktion abzeichnenden Verbreitungsgebiet des Blaumeisensterbens zu verschneiden. Dem NABU wurden bereits über 30.000 tote oder kranke Blaumeisen gemeldet. Allein für Niedersachsen gingen über 2.100 Meldungen mit über 4.100 betroffenen Blaumeisen ein, die Schwerpunkte bilden die Landkreise Oldenburg, Ammerland und Osterholz, aber auch Ostfriesland ist betroffen.

Weit über 1.000 Menschen aus Ostfriesland haben das Muttertagswochende genutzt, um Vögel in Garten, Park oder auf dem Balkon zu zählen. „Die Beteiligung übertrifft alle Erwartungen und die letztjährige Rekordteilnahme um über 300 Teilnehmer in Ostfriesland“, freut sich Jan Schürings vom NABU Ostfriesland. „Das verstärkte Interesse an der heimischen Natur durch die Corona-Krise und das beunruhigende Blaumeisensterben haben besonders viele Menschen bewegt, bei unserer Vogelzählung mitzumachen“, vermutet Schürings. Bundesweit haben erstmals über 120.000 Vogelfreundinnen und -freunde teilgenommen.

Um herauszufinden, ob der deutschlandweite Rückgang wirklich auf das Konto der Epidemie geht, haben die Forscher für jeden Landkreis die Veränderungen der Blaumeisenzahlen mit der Anzahl der Meldungen kranker Meisen korreliert. Es ergab sich ein eindeutiger Zusammenhang: „Je mehr Berichte toter Meisen aus einem Landkreis bei uns ankamen, desto größer waren dort auch die Bestandsrückgänge“, so Schürings. „Wir können davon ausgehen, dass ein Rückgang von mindestens etwa vier Prozent gegenüber dem Vorjahr direkt auf das diesjährige Blaumeisensterben zurückzuführen ist.“ Bei einem Gesamtbestand von etwa 7,9 Millionen erwachsenen Blaumeisen, den der jüngste offizielle Bericht zur Lage der Vogelwelt ausweist, wäre das eine Größenordnung von ungefähr 300.000 an der Krankheit verstorbenen Blaumeisen.

Genaueres wird erst nach Eingang aller Meldungen der „Stunde der Gartenvögel“ feststehen. Beobachtungen können nach bis zum 18. Mai am besten online unter www.stundedergartenvoegel.de gemeldet werden. Das funktioniert auch mit der kostenlosen NABU-App Vogelwelt, erhältlich unter www.NABU.de/vogelwelt. Aktuelle Zwischenstände und Ergebnisse sind auf www.stundedergartenvoegel.de abrufbar und können mit vergangenen Jahren verglichen werden.

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