Mai-Kundgebung für mehr Solidarität

Auch in Norden trafen sich Gewerkschaftler zur Mai-Kundgebung unter dem Motto „Zeit für mehr Solidarität“ anlässlich des „Tags der Arbeit“ 2016.

Er freue sich, erstmals wieder seit langer Zeit die Kundgebung zum 1. Mai im Freien eröffnen zu können, betonte Hans Forster (SPD) in seiner Eröffnungsrede im Garten der KVHS Norden. Der strahlende Sonnenschein machte den 80 Gästen den kühlen Wind erträglich. Die Norder Oldieband Goutbones versuchte zwischendurch, dem Publikum zusätzlich einzuheizen.

Forster blickte zurück auf die Themen, die ver.di im Norderland zuletzt beschäftigten: Vom Kitastreik über den Kampf um eine paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat der Norder Stadtwerke bis hin zum politischen Ringen um eine auch in Zukunft eigenständige KVHS Norden. Für die geplante Zentralklinik Georgsheil zählte Forster die Bedingungen auf, unter denen Gewerkschaften und Betriebsräte der Fusion der Krankenhäuser von Aurich, Norden und Emden zustimmen könnten: Es dürfe weder Privatisierungen noch betriebsbedingte Kündigungen geben, die TVÖD-Bindung müsse erhalten bleiben und die betriebliche Mitbestimmung ausgeweitet werden.

Hans Forster (am Podium) begrüßt André Belger, ver.di-Jugendsekretär Bezirk Weser-Ems, auf der Mai-Kundgebung 2016. (Foto: ts / cc-by-sa)
Hans Forster (am Podium) begrüßt André Belger, ver.di-Jugendsekretär Bezirk Weser-Ems, auf der Mai-Kundgebung 2016. (Foto: ts / cc-by-sa)

Mit dem 29-jährigen ver.di-Jugendsekretär Bezirk Weser-Ems, André Belger, konnte Forster den jüngsten Mai-Redner in der langen Geschichte der Norder Kundgebung begrüßen.

Nachdem der Mindestlohn vor einem Jahr durchgesetzt wurde, sei nun die gesetzliche Regelung der Leiharbeit das nächste dicke Brett, das es für Gewerkschaftler zu bohren gilt. Belger ging dann auf die aktuellen Tarifverhandlungen ein. Während ver.di für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst noch in der Nacht überraschend einen Tarifabschluss erzielen konnte – der in den Reden allerdings eher mit Skepsis bedacht wurde –, sei die IG Metall nach gescheiterten Verhandlungen mit den Arbeitgebern in die ersten Warnstreiks gegangen. Auch hier gelte: Gute Arbeit verdiene guten Lohn.

Ausführlich ging Belger auf die Flüchtlingsdebatte und die rechtspopulistische AfD ein, die parallel zu den Mai-Kundgebungen in Stuttgart ihr erstes Parteiprogramm verabschiedete. Die Gewerkschaften seien bereit, mit allen auf der Grundlage von Demokratie und Menschenrechten zu reden und zu streiten. Gegen rechte Hetze allerdings grenze man sich klar ab. Die Gewerkschaften seien deswegen Teil der „Allianz für Weltoffenheit“. Belger erinnerte an den deutlichen Anstieg von rechtsextremen Gewalttaten und betonte, diese Rassisten seien nicht das Volk.

Solidarität war auch in diesem Jahr das beherrschende Thema der Mai-Reden, für die der DGB das Motto „Zeit für mehr Solidarität“ ausgegeben hatte. Sie bedeute, so Belger, Flüchtlinge und sozial schwache Inländer nicht gegeneinander auszuspielen. Solidarität gelte aber auch den europäischen Partnern: Belger erinnerte an die Folgen, die der „Fetisch der schwarzen Null“ für die südeuropäischen Staaten hat. Die vor allem von Deutschland forcierte Austeritätspolitik führe dort zu Armut und sozialer Ungleichheit, in der sich Rechtspopulismus breitmachen kann. Die Abriegelung der Balkanroute habe dafür gesorgt, dass Tausende von Menschen im krisengeplagten Griechenland stranden, das mit der Bewältigung der humanitären Situation etwa im Grenzlager Idomeni überfordert sei. Merklich empört nannte Belger es „ekelhaft, was dort geschieht“.

 

Es gebe für die Gewerkschaften in Deutschland und Europa viel zu tun. Minjobs und Teilzeitarbeit würden besonders Frauen – die nach wie vor in vielen Branchen bis zu 20 Prozent weniger verdienen als Männer – später Altersarmut bedeuten und müssten eingeschränkt werden. Der Mindestlohn müsse aus denselben Gründen steigen wie auch das Rentenniveau. Außerdem müsse gegen Analphabetismus und die hohe Schulabbrecherquote vorgegangen werden. Das Geld sei da, es sei lediglich konzentriert in den Händen einiger Vermögender.

Der stellvertretende DGB-Ortsverbandsvorsitzende Harm-Udo Wäcken schlug in die gleiche Kerbe. Im kämpferischen Ton rief er dazu auf, nicht zu resignieren angesichts „einer Welt, die überall aus den Fugen gerät“. Vielmehr sollten die Gewerkschaften dem „internationalen Kapital Grenzen setzen“. Besonders kritisierte Wäcken in dem Zusammenhang die Geheimverhandlungen um die Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Gewerkschafter würden sich weiter für eine offene und gerechte Gesellschaft einsetzen, etwa indem Arbeitnehmerrechte auch mit Streiks durchgesetzt werden.

 

Als letzte Rednerin trat Antje Hohenstein von der Flüchtlingshilfe Altkreis Norden ans Podium. Ursprünglich war geplant, die Rede einem Flüchtling aus der Notunterkunft Utlandshörn zu überlassen. Allerdings sei es schwer, die Vielzahl von verschiedenen Schicksalen und Perspektiven der Geflüchteten in einem einzigen Grußwort unterzubringen. Das gelte besonders für Syrer, die gerade von Deutschland aus mit Schrecken die Zerstörung Aleppos verfolgen.

Hohenstein erklärte, dass die Flüchtlinge längst überall in der Gesellschaft angekommen seien. Sie würden fröhlich mit „Moin!“ grüßen, was für sie bedeutet, in Ostfriesland als Nachbarn, Kollegen und Freunde zu gelten. Entsprechend hoffen sie auf Solidarität, was nicht mehr bedeutet als mit den neuen Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen: Dies sei für sie der einzige Weg, sich jenseits von Integrationskursen im hiesigen Alltag zurechtzufinden.

In ihrer Arbeit mit ihnen habe Hohenstein zwei vordringliche Ziele der Geflüchteten bemerkt: Sie wollen sich an geltende Regeln halten und sie wollen eine Arbeit finden, um das Leben für sich und ihre Familien selbst gestalten zu können. Auch Hans Forster hatte zuvor bereits an Arbeitgeber appelliert, geflüchteten Menschen eine Chance im Betrieb zu geben.

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