Die Sparkasse Aurich-Norden im Nationalsozialismus

Die Sparkasse Aurich-Norden setzt sich in einer Ausstellung mit ihrer Rolle im Nationalsozialismus auseinander

Die Verbrechen des Nationalsozialismus rücken 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs immer mehr in die Ferne. In räumlicher Entfernung schienen sie sich ohnehin abgespielt zu haben: Die Kriegsverbrechen an der Ostfront schienen den meisten Deutschen ebenso weit weg wie die Vernichtungslager. Wie allgegenwärtig das nationalsozialistische System jedoch auch in Ostfriesland war, zeigt die KZ-Gedenkstätte Engerhafe und nun auch eine Ausstellung in Norden, die am 8. Mai eröffnet wurde.

Zu Beginn der Ausstellung ist ein Foto des Neuen Wegs aus der Zeit des Nationalsozialismus zu sehen.
Zu Beginn der Ausstellung ist ein Foto des Neuen Wegs aus der Zeit des Nationalsozialismus zu sehen.

Es sei eine „wichtige und mutige Entscheidung“, wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil in seinem Grußwort schreibt, dass sich die Sparkasse Aurich-Norden anlässlich ihres 175-jährigen Bestehens öffentlich mit ihrer Geschichte in den Jahren 1933 bis 1945 auseinandersetzt.

Die Ausstellung „Sparkasse im Nationalsozialismus“ wurde im September 2013 bei einem Historiker-Team in Auftrag gegeben, das im Zuge der Vorbereitung auch über 20 Kartons mit Unterlagen aus der NS-Zeit auf dem Dachboden der Hauptstelle in Norden fand.

Schon der erste Teil der Ausstellung macht deutlich, dass der Nationalsozialismus auch den Neuen Weg prägte. Wie jeder andere Bereich des gesellschaftlichen Lebens wurden auch die Sparkassen bis 1935 gleichgeschaltet und in den totalitären Staat eingegliedert. Dies galt für die Strukturen genauso wie für die Sparkassen-Angestellten selbst, die bis zum Kriegsbeginn in mindestens eine NS-Organisation eingetreten waren. All das wurde den Sparkassen nicht etwa aufgezwungen, vielmehr verstanden sie sich „als Gegenentwurf zu ‚verjudeten‘ Banken und dienten dem neuen Regime willfährig“, wie Gitta Connemann (CDU), Bundestagsabgeordnete und Vizepräsidentin der deutsch-israelischen Gesellschaft in ihrem Grußwort schreibt.

Sparkassen-Lehrlinge leisteten fortan einen Treueeid auf Hitler und schon bald spielte das Sparen eine zentrale Rolle in der NS-Propaganda. Neben zeitgenössischen Plakaten ist auch ein Schreiben ausgestellt, mit dem Sparkassen-Kunden im Kommando-Ton aufgefordert wurden, wieder Sparbeiträge einzuzahlen. Mit Erfolg: Die Spareinlagen vervierfachten sich zwischen 1939 und 1944. „Sparen für den Sieg“ lautete nun die Parole, während den Sparkassen untersagt wurde, Privatkredite zu vergeben, um Kapital für die Kriegsführung zurückzuhalten.

Der „Fall Blotekamp“ zeigt, dass Widerstand möglich war: Der Direktor der Kreissparkasse Aurich weigerte sich im März 1933, auf dem Sparkassengebäude die Hakenkreuzfahne hissen zu lassen. Ein halbes Jahr später wurde er nach einer Kampagne der NS-Presse gegen ihn in den Ruhestand versetzt.

Er habe in den Jahren „viel erdulden müssen“, schrieb Blotekamp nach dem Krieg. Doch gewiss nichts, was mit dem Schicksal der jüdischen Familien aus Norden zu vergleichen ist. Schonungslos zeigt die Ausstellung im zweiten Teil, wie ihre Entrechtung, Enteignung und Ermordung von Geldinstituten wie der Sparkasse begleitet wurde. Unterlagen aus der Zeit des Nationalsozialismus belegen, wie auch in Norden der massenhafte Raubmord „mit deutscher Gründlichkeit ‚erledigt‘“ (Connemann) worden ist. Die „Wiedergutmachung“ nach dem Krieg dagegen wurde weit weniger entschlossen betrieben. Die Ausstellung erzählt die Geschichten der Familien Gerson, Schulenklopper, de Löwe, Wolff, Altgenug und Aschendorff auch anhand von Zeitzeugen-Interviews und gibt den Opfern ein Gesicht.

Geschäftsberichte aus den letzten Kriegsjahren und der Nachkriegszeit belegen, dass die Wirtschaftsverwaltung selbst in Chaos und Zerstörung aufrechterhalten blieb. Bereits im Oktober 1944 machte sich die Sparkassen-Leitung darauf gefasst, ihre Akten aus den küstennahen Städten Norden und Aurich evakuieren zu lassen. In einer Inventarliste von 1947 ist dann zu sehen, wie Hitlerbilder und NS-Flaggen gemäß ordentlicher Buchführung abgeschrieben wurden.

Die Währungsreform von 1948 war für die Sparkasse eine Herausforderung und zugleich Neubeginn. Die Nachkriegszeit ist der Schwerpunkt im hinteren Teil der Ausstellung. Hier wird auch die Entnazifizierung der Sparkasse dokumentiert, deren Mitarbeiter fast durchweg als Mitläufer eingestuft und auf ihrem Posten belassen wurden.

Die Ausstellung (Hauptstelle Norden, Neuer Weg 73, 26506 Norden) ist noch bis zum bis 31.10.2015 geöffnet: mittwochs und freitags von 15:00 – 18:00 Uhr, samstags von 10:00 – 13:00 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung unter 0800 – 283 500 00. Der Eintritt ist frei.

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