Norden im Visier der Geheimdienste

Norden spielt im aktuellen Skandal um britische Internetspionage (und im Alltag deutscher Internetnutzer) eine nicht unwichtige Nebenrolle.

Vor einer Woche machten Washington Post und der britische Guardian das Ausspähprogramm des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA (National Security Agency) öffentlich. Unter dem Codenamen „Prism“ würden massenhaft Kommunikationsdaten besonders von Menschen außerhalb der USA abgespeichert. Edward Snowden, der für die NSA gearbeitet hatte und auf den die Enthüllungen zurückgingen, berichtete diese Woche von einem noch umfangreicheren Abhörprogramm in Großbritannien. Der britische Geheimdienst GCHQ (Government Communications Headquarters) zapfe demnach unter dem Codenamen „Tempora“ eines der transatlantischen Datenkabel an, über das Telefonate und Internetverkehr zwischen Deutschland und den USA laufen.

Luftaufnahme des Government Communications Headquarters (GCHQ) in Cheltenham, Gloucestershire. (Foto: Britisches Verteidigungsministerium)
Luftaufnahme des Government Communications Headquarters (GCHQ) in Cheltenham, Gloucestershire. (Foto: Britisches Verteidigungsministerium)

Dieses TAT-14 (Trans Atlantic Telephone Cable, dt. Transatlantisches Telefonkabel Nr. 14) genannte Kabel verbindet Nordamerika seit März 2001 über zwei Strecken mit Europa. Über die im Meeresboden verlegten Glasfaserkabel – 5 cm dick und über 15.000 km lang – werden pro Sekunde rund 160 Gigabyte an Daten übertragen. Die nördliche Trasse verläuft über Dänemark und die Shetland-Inseln nach New Jersey, die südliche führt über die Niederlande, Frankreich und Großbritannien in die USA. Über den Knotenpunkt dieser Leitung in der britischen Küstenstadt Bude soll GCHQ im Rahmen von Tempora und gemeinsam mit der NSA den Datenverkehr vollständig abhören. Da über TAT-14 der transatlantische Datenverkehr aus und nach Deutschland verteilt wird, fühlen sich besonders deutsche Bürger und Unternehmen von den Briten bespitzelt.

 

Europäischer Ausgangspunkt beider TAT-14-Datenverbindungen ist Norden, da das vorgelagerte Wattenmeer ideale Bedingungen zum Verlegen der transatlantischen Glasfaserkabel bot. Hier sitzt die Seekabelendstelle der Deutschen Telekom (das Competence Center Submarine Cables) und leitet die Daten zum Hauptknoten Hamburg weiter. Norden ist damit nichts desto trotz eine Achillesferse des Internet, weshalb US-Geheimdienste die Stadt und vor allem das Seekabelzentrum laut Focus Online zum potenziellen Anschlagsziel für Terroristen erklärt haben.

 

Wer überwacht wird, ist nicht frei, so lautete in westlichen Demokratien lange Zeit die Devise. Im Zuge der Sicherheitsgesetzgebung seit den Anschlägen vom 11. September wurden die Spielräume von Ermittlungsbehörden und Nachrichtendiensten weltweit ausgeweitet. Während viele Nutzer die Freiheit im Internet nach den Geheimdienst-Enthüllungen endgültig begraben sehen und Politiker aus Deutschland und der EU sich empören, verteidigt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Abhöraktion mit dem Schutz vor Terroranschlägen. Die an das EU- und NATO-Mitglied Großbritannien gerichtete Anfrage der Bundesregierung, Art und Umfang des Tempora-Programms zu erklären, blieb unbeantwortet.

 

Es ist nicht das erste Mal, dass ein groß angelegtes Bespitzelungsprogramm der USA und Großbritanniens öffentlich wird. 2001 wurde die Existenz des weltweiten Abhörnetzes „Echelon“ bestätigt, über das westliche Nachrichtendienste massive Wirtschaftsspionage gegen europäische Unternehmen betrieben. Damals war Norden noch außen vor: Die Abhöranlage der NSA befand sich im bayerischen Bad Aibling.

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