Unter Brüdern

(Norden) Ein Partner muss kein Freund sein, schon gar nicht muss die Verbindung brüderlicher oder schwesterlicher Art sein, von Liebe ganz zu schweigen. Was in anderen Sprachen als „Schwesterstadt“ oder „Städtefreundschaft“ im Wörterbuch steht, wird auf Deutsch nüchtern „Städtepartnerschaft“ genannt. Norden rühmt sich zweier solcher Partnerschaften. Neben der zum britischen Bradford-on-Avon, die seit 1969 u.a. von der gemeinsamen Liebe zum Kabu- und Rudersport getragen wird, besteht eine zum vorpommerschen Pasewalk.

Am 10. und 11. August möchte die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) das jährliche „Pressefest“ ihrer Parteizeitung „Deutsche Stimme“ (Bericht des NDR Nordmagazins) in Pasewalk, genauer: hinter einem dort gelegenen ehemaligen Schweinestall feiern. Erwartet werden zwischen 600 und 1.000 Teilnehmer, erklärte Pasewalks Bürgermeister Rainer Dambach im Gespräch mit der Berliner Tageszeitung taz.

Der gebürtige Baden-Württemberger ist seit acht Jahren Pasewalks Stadtoberhaupt und beklagt das Naziproblem seiner Stadt. Von Bundes- und Landespolitik, die sich immer wieder gegen Rechtsradikalismus aussprechen, fühlt er sich beim ausdauernden Kampf dagegen eher mäßig unterstützt. Allerdings ist auch er an die juristischen Grenzen gestoßen, die dem Einschreiten gegen einen braunen Auflauf gesetzt sind. Die Stadtverwaltung sah keine Möglichkeit, das NPD-Fest rechtlich zu verhindern, will das rechte Treiben aber mit Argusaugen verfolgen und schon bei geringsten Ordnungswidrigkeiten während des Wochenendes einschreiten.

(Foto: Ralf Roletschek / Wikipedia)

Das Stadtzentrum von Pasewalk. (Foto: Ralf Roletschek / Wikipedia)

 

Der Landkreis Vorpommern-Greifswald hat sich als Reaktion auf die in Pasewalk geplante Nazifeier der bundesweiten Kampagne „Kein Ort für Neonazis“ angeschlossen. Des Weiteren haben mutige Pasewalker das Aktionsbündnis mit dem Motto „Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt!“ ins Leben gerufen, das von Vereinen, Kirchen, Gewerkschaften, Unternehmen und den demokratischen Parteien unterstützt wird. Neben der lokalen Bürgergesellschaft ruft das Bündnis auch alle die zum Engagement gegen Rechts auf, die sich Pasewalk verbunden fühlen.

Dazu könnte auch die Stadt Norden gehören. Noch während des deutschen Wiedervereinigungsprozesses beschlossen Norden und Pasewalk Ende Februar 1990, eine kommunale Städtepartnerschaft einzugehen. Nach einer Phase regen Austauschs auf politischer, sozialer und kultureller Ebene wurde die Städtepartnerschaft 1996 auf „Partnerschaftsvereine“ verlagert, die sich allerdings 2004 in Pasewalk und 2005 in Norden auflösten.

Die Verwaltung der Stadt Norden bestätigt, dass die Kontakte zu Pasewalk „auf offizieller Seite nicht mehr so intensiv“ sind. Schlechte bis beängstigende Erfahrungen mit den braunen Umtrieben haben den Norder Enthusiasmus in Bezug auf die Pasewalker Partner abgekühlt. Offizielle Erklärungen der Fraktionen des Norder Stadtrats stehen zur Stunde noch aus. Jutta Bressem vom örtlichen Aktionsbündnis erklärte jedenfalls, die Partnerstadt Norden sei bisher nicht in die Planungen eingebunden, „der/die Bürgermeister_in“ könne aber gerne zum Treffen der Bürgermeister am 11.8. nach Pasewalk kommen.

Die NPD versucht derweil in Mecklenburg-Vorpommern, die Engagierten des Aktionsbündnisses einzuschüchtern, und Pasewalks Bürgermeister Dambach in einen juristischen Kleinkrieg zu verwickeln, weil der als zur Neutralität verpflichteter Behördenvertreter sich zu offen zum Aktionsbündnis gegen Rechts bekannt habe.

Einen weiteren Schub erhielt die Brisanz der Lage Ende Juli, als ein Stall auf dem Gelände, auf dem das „Pressefest“ stattfinden soll, offenbar durch Brandstiftung beschädigt worden ist. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sorgte sich daraufhin um den friedlichen Charakter des Widerstands gegen Rechts, sollte sich ein politischer Hintergrund der Tat bestätigen. Verhindern wird der Brand die NPD-Veranstaltung jedenfalls nicht, da sie – um baurechtliche Auflagen der Stadt zu umgehen – ohnehin unter freiem Himmel abgehalten werden wird. Dort sollen u.a. Holger Apfel und Udo Pastörs (beide NPD) sprechen. Im Rahmen des „bunten Familien-, Kinder- und Festprogramms“ wird auch der Musiker Frank Rennicke auftreten, den die NPD 2009 und 2010 als Kandidaten zur Wahl des deutschen Bundespräsidenten vorschlug.

Das Aktionsbündnis „Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt!“ hat bereits zahlreiche Veranstaltungen geplant, um am 10. und 11. August demokratische Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Neben einer vier Kilometer langen Menschenkette von Pasewalk bis zum Veranstaltungsort des „NPD-Pressefests“ wird ein Demokratiefest steigen. Außerdem finden Podiumsdiskussionen, Filmvorführungen und Lesungen statt, die die neonazistische Hetze und Gewalt thematisieren und für Solidarität und Vielfalt eintreten.

Auf der Homepage des Aktionsbündnisses hat jeder Gelegenheit, den Kampf der Pasewalker gegen Rechts mit einer Unterschrift und/oder einer Spende zu unterstützen.

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